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Kategorie: 2. Klasse AHS (Ö)
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Theaterstück Die Königin

Rollen und Gegenstände besprechen. Die Szenen von verschiedenen Gruppen vorbereiten und spielen.

Sprecher:

            Wir kennen alle die Geschichte von den Heiligen Drei Königen. Die meisten wissen nicht, dass auch noch eine Königin mit ihnen unterwegs war. Von Kaspar, Melchior und Balthasar ist uns überliefert, dass sie dem kleinen Jesus Gold, Weihrauch und Myrrhe gebracht haben. Die Königin aber wollte Jesus eine schöne Perlenkette schenken. Sie war eine weise und nachdenkliche Frau.

1. Szene:

            Während die Könige miteinander plauderten, um sich die Zeit der langen Reise zu verkürzen, ritt sie hinter ihnen her und hing ihren Gedanken nach. Einmal kamen sie durch eine Stadt. Dort war ein Bettler, der kniete am Rand des Weges und flehte: "Erbarmen, ihr edlen Herren, erbarmt euch meines Elends!" "Wir haben keine Zeit", riefen die drei Könige, "wir sind in Eile. Wir müssen zum König der Juden!"

            Die Königin ließ ihr Kamel still stehen, löste eine Perle aus ihrer Kette und gab sie dem Bettler. "Auf eine Perle mehr oder weniger wird es dem König der Juden wohl nicht ankommen", sagte sie. Dann aber musste sie ihr Kamel antreiben, um die Könige wieder einzuholen.

2. Szene:

            Als die Vier durch die Wüste zogen, stießen sie auf eine Karawane, die von Räubern überfallen worden war. Ein Kaufmann lag schwer verwundet auf dem Boden. Die drei Könige ritten achtlos an ihm vorüber. Es war Abend geworden und sie schauten nur auf den Stern. Die Königin hielt wiederum ihr Kamel an. "Ich habe ja den Stern", sagte sie, "da finde ich die anderen schnell wieder." So nahm sie sich des verwundeten Kaufmanns an. Sie wusch seine Wunden, bestrich sie mit Heil bringenden Salben und legte einen Verband an. Dann brachte sie ihn in eine Oase. Sie gab den Beduinen, die dort lebten, drei Perlen und den Auftrag, den Kranken gesund zu pflegen.

            "Der König der Juden wurde eben erst geboren", sagte sie sich, "der ist noch klein. Der hat noch nicht so einen dicken Hals. Da kann die Perlenkette auch kürzer sein."

3. Szene:

            Die Königin machte sich wieder auf den Weg. Der Stern hatte sich zwar schon etwas entfernt, aber sie konnte ihn noch immer gut sehen. Sie ritt durch ein Dorf. Da hörte sie aus einer Hütte Klage- und Wehrufe. Die Königin trat ein und sah fünf Kinder, die das Bett ihrer Mutter umringten, die im Sterben lag. Als die Mutter die Königin sah, ging ein Leuchten über ihr Gesicht. Sie flüsterte mit letzter Kraft:

"Meine Kinder sind ganz allein auf der Welt. Was soll nur aus ihnen werden? Sorge du für sie, ich bitte dich, denn ich sehe, dass du eine wohlhabende Frau bist."

            Was sollte die Königin tun? Sie tröstete die Kinder, beerdigte die Mutter und ging anschließend zum Bürgermeister des Dorfes. Sie gab ihm den Rest der Perlenkette mit dem Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Kinder gut erzogen würden und immer genug zu essen hätten.

4. Szene:

            Als die Königin weiterziehen wollte, sah sie den Stern nicht mehr. "Macht nichts", sagte sie sich, "wo wird ein König der Juden wohl zu finden sein? Der ist sicher im Königspalast in Jerusalem. Den finde ich auch ohne Stern!"

5. Szene:

            Doch schon in der nächsten Stadt wurde die Königin wieder aufgehalten. Sie sah, wie 3 Soldaten einen jungen Mann fesselten. Der versuchte sich mit Händen und Füßen zu wehren, aber es nützte ihm nichts. Auch die Mutter des jungen Mannes versuchte die Soldaten an ihrem Vorhaben zu hindern.

Sie schrie: "Helft mir! Das ist mein einziger Sohn, und jetzt wollen sie ihn als Sklaven abführen. Ich habe doch nur diesen einzigen. Wer wird für mich da sein, wenn ich einmal alt bin?"

"Du bist selber schuld!", riefen die Soldaten, "bezahle deine Schulden, und dein Sohn ist frei!" "Aber wir sind doch arme Leute, wir haben kein Geld!", schrie die Frau. "Wie kann ich dieser Frau nur helfen?", fragte sich die Königin. "Ich habe ja alle meine Perlen verschenkt. Aber mir bleibt noch das Kamel. Es ist ein sehr gutes Tier. Das wird dieser armen Frau helfen. Dann gehe ich einfach zu Fuß nach Jerusalem. Ich habe mich ja sowieso verspätet. Der König der Juden ist noch klein. Der macht noch keine großen Sprünge. Bis er gehen gelernt hat, bin ich längst in Jerusalem."

            Also verkaufte die Königin ihr Kamel, gab das Geld der armen Frau und machte sich zu Fuß auf nach Jerusalem.

6. Szene:

            Doch unterwegs wurde die Königin von Räubern überfallen. Die Räuber nahmen sie gefangen und brachten sie auf den Sklavenmarkt. Dort wurde sie von einem alten Mann gekauft. Die Königin bat: „Lass mich frei, Gott wird es dir belohnen!“ Es half ihr nichts. Sie erklärte: „Ich bin eine Königin, ich muss unbedingt nach Jerusalem zum neuen König der Juden!“ Der Mann glaubte ihr nicht. Er lachte sie aus und sagte: „Koch jetzt und putz das Haus sauber!“

7. Szene:

            Dreißig Jahre lang musste die Königin dem alten Mann dienen. Sie schrubbte und fegte das Haus, sie wusch seine Kleider und kochte, und sie pflegte den alten Mann. Als dieser uralt geworden war und im Sterben lag, rief er sie zu sich: "Du hast mir so treu und gut gedient, ich lasse dich jetzt frei. Ich vermache dir all meinen Besitz."

            Nach diesen Worten starb er. Die Königin war inzwischen auch älter geworden, aber ihren Wunsch hatte sie noch nicht vergessen. Sie verkaufte das Haus und reiste mit dem Geld nach Jerusalem.

8. Szene:

Als sie in Jerusalem ankam, hörte sie Lärm im Stadtzentrum. Sie ging hin, um zu sehen, was los war. Ein junger Mann trug ein schweres Kreuz, und Soldaten peitschten ihn durch die Straßen; die Menge johlte, und Priester grinsten böse und zufrieden.

            Als der junge Mann an ihr vorbeiging und sie ansah, war sie erstaunt. Sie kannte das Gesicht: Im Gesicht dieses jungen Mannes mit dem Kreuz sah sie das Gesicht des Bettlers, des Kaufmanns, der fünf Kinder, der armen Frau und ihres Sohnes; und auch das Gesicht des alten Mannes, dem sie als Sklavin gedient hatte. Sie war verwirrt. Wie war das möglich?

9. Szene:

Die Königin tauchte ihr Kopftuch in einen Brunnen und ging hin zu dem jungen Mann, um ihm Schweiß und Blut aus dem Gesicht zu wischen. Aber die Soldaten packten sie und stießen sie mit bösen Worten weg.

10. Szene:

            So folgte sie nachdenklich dem johlenden Menschenzug. Er ging eine Anhöhe hinauf. Dort wurde das Kreuz niedergelegt und der junge Mann angenagelt. Am Schluss befestigten die Soldaten noch eine Tafel. Darauf stand: INRI - Jesus Nazarenus Rex Judaeorum, Jesus von Nazaret, der König der Juden.

11. Szene:

            Jetzt begann die Königin zu begreifen: Das war er, der König der Juden, den zu suchen sie sich vor dreißig Jahren aufgemacht hatte. Sie hatte ihn gefunden.

12. Szene:

            Als die Königin am dritten Tag in Jerusalem in ihrer Herberge aufwachte, stand der junge König der Juden neben ihr. Er sagte: „Fürchte dich nicht. Was du den Armen geschenkt hast, das hast du mir geschenkt. Geh zu meinen Freunden und erzähl ihnen, was du erlebt hast.“ Glücklich suchte sie seine Freunde, fand Petrus und Maria aus Magdala und erzählte ihnen, was sie erlebt hatte.

Geschrieben von Markus Arnold, dramatisiert und ergänzt von Johannes Daxbacher